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Zwischen Barock und Blastbeats: Igorrr und die Klanggewitter der Extreme
Es beginnt mit einem Kinderklavier im Garten. Darauf verstreute Körner, pickende Hühner – und am Ende ein Stück Musik, das so avantgardistisch wie verspielt ist: „My Chicken’s Symphony“. Für Gautier Serre alias Igorrr ist das kein Gag, sondern ein Statement. Kreativität kennt bei ihm keine Grenzen – weder stilistisch noch praktisch. Wer in seinen Kosmos eintaucht, findet sich in einem auditiven Strudel aus barocker Ornamentik, blackmetallischer Raserei, Balkan-Folk, Breakcore, Operngesang und 8-Bit-Spielmusik wieder. Es ist ein Sound, der nicht erklärt, sondern überwältigt – und der sich jeder Kategorisierung verweigert.
Geboren 1984 in Frankreich, beginnt Serre sein Soloprojekt Igorrr 2005 aus einem Frust heraus: Seine musikalischen Ideen sprengen die Konventionen klassischer Bandarbeit. Also beschließt er, alles selbst zu machen. Nach zwei frühen Demos gelingt ihm 2010 mit „Nostril“ der Durchbruch im experimentellen Untergrund. Zwei Jahre später folgt „Hallelujah“, auf dem erstmals Sopranistin Laure Le Prunenec zu hören ist – ihre Stimme reicht von zerbrechlicher Oper bis zum apokalyptischen Schrei.
Der große Umbruch kommt 2017: „Savage Sinusoid“ wird nicht nur Serres erstes Werk mit voller Band, sondern auch sein Debüt beim Metal-Label Metal Blade. Der Wahnsinn wird orchestriert – mit Gästen wie Travis Ryan (Cattle Decapitation) oder Gitarrist Teloch (Mayhem), Cembalo, Akkordeon, Sitar, Mandoline. Ein Triumphzug durch die Festivalbühnen Europas folgt. Igorrr werden zu einem Gesamtkunstwerk auf Tour, irgendwo zwischen Dada und Dschihad der Takte.
Drei Jahre später erscheint „Spirituality And Distortion“ – ein Album, das sein Vorgänger kaum hätte vorbereiten können. Serre arbeitet fieberhaft und kompromisslos, verbringt Wochen eingesperrt im Studio, fliegt Musiker*innen aus aller Welt ein, lässt Amps in Flammen aufgehen, um den perfekten Gitarrensound zu erzeugen. Der Titel, ursprünglich nur für einen Track gedacht, wird zum Sinnbild: spirituelle Tiefe trifft auf akustische Zerstörung. In „Camel Dancefloor“ verschmelzen Oud und Breakcore, Parpaing lässt Cannibal-Corpse-Frontmann George „Corpsegrinder“ Fisher gegen billige 8-Bit-Klänge anbrüllen – ein Kontrast, der in Serres Ohren „wunderschön“ ist. Worte, sagt er, sind zweitrangig. „Ich konzentriere mich ganz auf den Klang. Wie die Stimme klingt – das ist es, was das Herz erreicht, nicht der Text.“
Was wie kalkulierter Wahnsinn klingt, ist in Wahrheit ein minutiös konstruiertes Klanguniversum. Jeder Takt, jede Wendung in Igorrrs Musik trägt die Handschrift eines Künstlers, der sich weigert, innerhalb von Genregrenzen zu denken. „Ich suchte nach einem spezifischen Stil – konnte ihn aber nicht finden, weil er nicht existierte“, sagt Serre. Also hat er ihn erfunden.
Für alle, die diesen musikalischen Irrsinn live erleben wollen, gibt es 2026 eine neue Gelegenheit: Im Februar kommt Igorrr auf seiner Tour auch nach Deutschland. Wer nicht nur hören, sondern fühlen will, wie sich Spiritualität und Verzerrung anfühlen – der sollte sich das Spektakel nicht entgehen lassen.
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